Als ich mit diesem Beitrag starte, steht draußen auf meiner Terrasse, eingehüllt in einige Handtücher, mein Sauerteig-Versuch. Schon lange wollte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Sauerteig ansetzen. Ich liebe nämlich Brot und außerdem liebe ich es etwas (Neues) zu machen. Also habe ich lange Zeit gewartet, bis das Wetter etwas schöner wurde. Denn ich habe weder Lust, den ganzen Tag meinen Ofen laufen zu lassen, noch habe ich einen Ort in meiner Wohnung, in dem es konstant 25 – 30 Grad hat. Als der Wunsch also im Winter aufkam, habe ich mich in Geduld geübt und bis Ende Mai damit gewartet.
Und dann kam ein wunderschönes Wochenende. Ich dachte, das ist meine Chance. Also habe ich einen Sauerteig aus Roggenmehl und Wasser angesetzt und ihn zwei Mal gefüttert. In den Ruhephasen stand er in meiner Wohnung an einem vermeidlich warmen Ort. Er war in einem Glasgefäß, abgedeckt mit einer Frischhaltefolie, eingepackt in einem Karton und umhüllt mit drei Handtüchern. Bis zur zweiten Fütterung ging alles relativ gut, dann war es ihm wohl zu kalt. Ich wartete, bis er aufging, doch stattdessen bildete sich Schimmel. Ärgerlich, aber kein Hindernis, um es nochmal zu probieren.
Das Spannende am Sauerteig ist, dass er seeeeehr lange Ruhezeiten hat, in denen viel passen muss. In der ganzen Zeit, in der dieses Projekt nun läuft, denke ich viel über diesen entschleunigenden Prozess nach. Es ist ja eben auch viel Zeit dazu vorhanden. Ich finde den Prozess sehr inspirierend und glaube, dass wir alle aus einem Sauerteig ziemlich viel lernen können. Hier sind also meine 5 Key-Learnings aus dem Sauerteig-Game.
Gute Dinge brauchen Zeit
Ich glaube, das kam schon in meiner Einleitung gut heraus. Während man ein einfaches Hefebrot quasi über Nacht backen kann, dauert ein Sauerteigbrot schon etwas länger. Da verstreicht viel Zeit, in der auch einiges schief laufen kann. Aber es vergeht auch viel Zeit, in der gute Dinge noch besser werden können. Den Sauerteig habe ich an einem Mittwochnachmittag angesetzt. Dann habe ich ihn 24 Stunden arbeiten lassen. Donnerstagnachmittag wurde er das erste Mal gefüttert, das nächste Mal dann Freitagmorgen. Dann stand er auf der Terrasse in der Sonne und wartete darauf, dass ich ihn zum dritten Mal fütterte. Das tat ich Samstagabend. Und bis ich dann daraus ein Brot backen kann, dauerte es noch bis Sonntag.
Und deswegen ist das erste Learning, das ich mit dir teilen möchte: deine Ziele brauchen Zeit, um gut erreicht werden zu können. Du kannst ein Brot wie gesagt auch über Nacht backen. Aber 1. hast du dann kein Sauerteig-Anstellgut, dass du für das nächste Brot verwenden kannst, 2. wird das Brot schneller schlecht und 3. ist es auch weniger bekömmlich. Inwiefern du diese drei Punkte auch auf dein Ziel anwenden kannst, kannst du mal überlegen. Nachhaltiges Ziele-erreichen benötigt seine Zeit. Damit du mit dem Weg wachsen kannst und bereit bist, das Ziel zu erreichen. Also nimm dir die Zeit. Sei nicht voreilig und genieße den Prozess. Wenn du dein Ziel erreicht hast, willst du das nächste. “Der Weg ist das Ziel” lernt uns zu entschleunigen.
Ohne Rückschläge geht es nicht
Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich Kontakt zu Sauerteig. Eine Zeitlang habe ich eine Methode ausprobiert, mit der man seine Haare mit Roggenmehl wäscht (funktioniert wirklich und ziemlich gut) und in dem Beitrag gelesen: “Achtung, nicht zu lange stehen lassen. Sonst hast du schnell einen Sauerteig daheim.”. Mehr Kontakt hatten wir nie. Außerdem hatte ich im Hinterkopf, dass 1. die Prozedur super aufwendig ist und 2. viel Equipment benötigt.
Naiv wäre jetzt, an das Vorhaben ranzugehen und zu denken: “Ich hab noch nie einen Sauerteig gemacht, aber es wird trotzdem aufs erste Mal funktionieren.”. Wenn das dennoch so ist, super. Dann hatten wir vielleicht viel Glück. Bei geschätzen 80 % der Fällen müssen wir jedoch erstmal Fehler machen und aus ihnen lernen, bevor wir ein annähernd perfektes Ergebnis haben. Und so ging es mir auch mit meinem ersten Sauerteig Versuch. Auch wenn alles anfangs ganz gut aussah, ging es am Ende schief. Und mit dem zweiten Ansatz seh ich jetzt auch, dass bereits die ersten Schritte meines ersten Versuches nicht gut waren. Fehler, die ich beim zweiten Mal dadurch beheben konnte. Und nur, weil ich aus meinen Fehlern gelernt habe. Lerne vom Sauerteig also, dass scheitern völlig normal ist. Dadurch lernen wir am besten, statt uns eine Anleitung nach der nächsten reinzuziehen.
Wer Geduld hat, wird belohnt
Für viele Dinge könnte es grundsätzlich auch eine Abkürzung geben. Zum Beispiel könnte ich meine Brote auch mit Hefe backen, 3 Stunden aufgehen lassen und dann backen. Sauerteig hat viele Vorteile, ein Nachteil ist jedoch der Aufwand. Doch um die Vorteile genießen zu können, muss ich den Berg erklimmen und einen Schritt nach dem anderen gehen. Im Zweifel muss man vielleicht sogar eher mehr Schritte gehen, als eigentlich geplant. Aber das ist okay, wenn wir lernen, dass der Weg das Ziel ist.
Die Fast-Lane bringt mir zwar auf den ersten Blick ein ähnliches Ergebnis, aber viel tiefgreifender, viel gereifter, viel bekömmlicher ist der langsame Weg.
Stell dir vor, dein Ziel sind 10.000 Follower auf Instagram. Und sagen wir, es gibt 3 Wege, dieses Ziel zu erreichen. Du könntest 1. 10.000 Follower kaufen, dann hast du dein Ziel quasi über Nacht erreicht. 2. Du erstellst ein paar trendige Tanz-Reels und gehst viral. Plötzlich steigt deine Followerzahl ziemlich schnell. 3. Du setzt auf beständiges Wachstum, erschaffst dir dabei eine Community, die sich wirklich für deine Inhalte interessiert und damit interagiert.
Statt das Gedankenexperiment nun aufzulösen: überlege dir mal, welche Followergruppe dir wohl die meisten Vorteile im Bezug auf deine Ziele bringt?
Starte, wo du bist
Meistens benötigst du gar nicht so viel, um mit etwas starten zu können. Meinen Sauerteig aus Mehl und Wasser habe ich in einer Glasschüssel in die Sonne gestellt. In der Nacht hat er eine Wärmflasche bekommen. Das wars. Ich hätte mir Equipment, zum Beispiel ein Thermometer, kaufen können, aber es hat auch ohne funktioniert. Wir neigen dazu, uns erstmal komplett neu ausstatten zu wollen, bevor wir mit etwas beginnen. Dabei sollte die Devise eher lauten: Starte erst und statte dich dann aus.
Das Gleiche gilt für Laufschuhe, Arbeitsmittel, Yogazubehör und noch so viel mehr. Starte mit dem, was du schon hast und baue nach und nach aus. Zum Start benötigt man kein Profi-Equipment. Im Gegenteil. Es hindert uns eher anzufangen, denn “wir müssen uns ja erst noch ausstatten, bevor wir loslegen”. Statt einfach loszulegen, lesen wir uns in die Materie ein, warten auf den Shoppingtrip und legen dann doch nicht los.
Was möchtest du erreichen und wie kannst du jetzt sofort damit starten?
Möchtest du 5 Kilometer in 25 Minuten laufen? Zieh dir jetzt sofort Turnschuhe an und laufe erstmal eine ganz langsame Runde. Wenn du dabei bist, eine Gewohnheit aus dem Laufen zu machen, kaufe dir Laufschuhe.
Möchtest du ein:e gute:r Zeichner:in werden? Nimm dir jetzt sofort ein Blatt Papier und einen Bleistift oder Kugelschreiber. Zeichne verschiedene Objekte in deiner Umgebung. Teste das Medium ausgiebig und schaue, was man damit machen kann. Versuche täglich eine kleine Skizze zu erschaffen. Wenn du Freude am Schaffen hast, suche dir das nächste Medium oder kauf dir ein Skizzenbuch.
Du möchtest Autor:in werden? Schreibe täglich. Du benötigst erstmal keine dicken Bücher, Onlinekurse oder Seminare, die dir sagen, wie man schreibt. Schreibe erstmal einfach vor dich hin und wenn es dir über einen längeren Zeitraum Spaß macht, dann investiere in deine Weiterbildung.
Wir lernen vor allem durchs Tun. Also starte jetzt und genieße den Prozess!
Es ist schon etwas her, dass ich den Beitrag begonnen habe. Mein Sauerteig hat durch einen Urlaub dazwischen leider nicht durchgehalten, aber ich werde wieder starten. Ich hoffe, dass der Sauerteig auch dich dazu inspirieren kann, geduldig und motiviert zu bleiben, aus Fehlern zu lernen und überhaupt endlich anzufangen.